Für viele ältere Menschen ist der Mai ein besonderer Monat. Er ist so besonders, weil jedes Jahr im Mai die Erinnerungen an die Ereignisse von vor 65 Jahren wach werden – an den Großen Vaterländischen Krieg. Für viele Russlanddeutsche ist der 9. Mai ein Feiertag mit Tränen in den Augen und trotzdem einer der wichtigsten Feiertage. Viele von ihnen waren während der Kriegsjahre gezwungen, in Arbeitslagern zu arbeiten, andere konnten an der Front kämpfen. Für die junge Generation, die versteht, dass die Ereignisse jener Jahre immer weiter in die Vergangenheit rücken, sind Treffen mit denen, die sie unmittelbar erlebt hatten, besonders wertvoll. Der Jugendring der Russlanddeutschen bot den Jugendorganisationen der Russlanddeutschen im Vorfeld des Feiertages an, an Projekten teilzunehmen, die dem Kriegsende gewidmet sind, – am Diskussions- und Kinoklub „Leben um zu erinnern – erinnern um zu leben“ und an der Gratulationsaktion „Mein Volk und unser Sieg“.

Der Große Vaterländische Krieg veränderte das Leben vieler Menschen und ganzer Völker – auch der Russlanddeutschen. Die meisten von ihnen wurden aus der Armee zurückgezogen und durften nicht an der Front kämpfen. Diese Entscheidung wurde mit Erstaunen empfangen: Russlanddeutsche bzw. Sowjetdeutsche wollten ihre Heimat verteidigen. Auf den Beschluss des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR wurden Deutsche, die im Wolga-Gebiet lebten, nach Sibirien vertrieben und in Arbeitslager gebracht, die Republik der Woldadeutschen wurde aufgelöst.

Jedoch leisteten alle – die, die auf Werken und Fabriken arbeiteten genauso wie die, die es an die Front schafften, – durch unvorstellbare Mühe ihren Beitrag zum Sieg. Im Rahmen der Gratulationsaktion „Mein Volk und unser Sieg“, an der zehn Jugendorganisationen in neun Regionen Russlands teilnahmen, konnten junge Russlanddeutsche wahre Lebensgeschichten hören, Fragen an ehemalige Trudarmisten stellen und den Veteranen zum Feiertag gratulieren.

Viele junge Menschen haben die Veteranen bei ihnen zu Hause besucht, um ihnen zu gratulieren. Sie brachten Schokolade und Grußkarten mit, aber vor allem ihr Lächeln, aufrichtige Hilfsbereitschaft und, was genauso wichtig ist, den Wunsch zuzuhören. „Wir konnten ihnen nichts Großes schenken, nur Grußkarten und Schokolade. Aber wie wertvoll sind solche Treffen! Unsere Veteranen freuten sich ganz aufrichtig, dass man sie nicht vergisst. Und wir waren glücklich über die Gelegenheit Fragen zu stellen und Antwortend arauf zu bekommen“, berichtet Anfisa Sabitowa, Leiterin des JK Gesellschaftliche Organisation Zentrum der deutschen Kultur Wolgograd. „Die am häufigsten gestellte Frage war, ob sie sich genau an den 9. Mai 1945 erinnern können. Die Antwort war – natürlich. Und alle erzählten von diesem Tag, als ob er erst gestern gewesen wäre und nicht vor 65 Jahren.“

Junge Russlanddeutsche aus dem JK „Aquarelle“ (Bogorodizk) baten den Senioren ihre Hilfe an – einkaufen, Arzneimittel aus der Apotheke holen, Fenster putzen. Drei ehemalige Trudarmisten ließen sich sogar die Haare schneiden.

Andere Jugendklubs und Organisationen veranstalteten gemeinsame Abende, auf denen sie den Veteranen Geschenke überreichten. Gleichzeitig verlief auch die Diskussion im Rahmen einer anderen Aktion des JdR, nämlich des Diskussionsklubs „Leben um zu erinnern – erinnern um zu leben“. So heißt auch ein Dokumentarfilm, der während des gleichnamigen internationalen Jugendprojektes gedreht worden war und vom dem Ende des Zweiten Weltkrieges handelt. Das Projekt fand im Sommer 2005 in Berlin, Prag, Moskau und Tomsk statt. Auch in der Stadt Tomsk, die unmittelbar am Projekt beteiligt war, durfte der Diskussions- und Kinoklub nicht fehlen. Die Tomsker Jugendvereinigung der Russlanddeutschen „Jugendblick“ veranstaltete gemeinsam mit den Studenten des Philosophie-Institutes der Staatlichen Universität Tomsk eine Filmvorführung mit anschließender Diskussion. Der Leiter und Teilnehmer des Projektes Andrej Kreismann erzählte den Gästen die Entstehungsgeschichte des Filmes.

In Balakowo organisierten die Mitglieder der Jugendorganisation „Phönix XXI“ gemeinsam mit dem Verband der Heimatfreunde einen Literatur- und Musikabend, ebenfalls mit Filmvorführung.

„Der Film „Leben um zu erinnern – erinnern um zu leben“ hat uns in unserer Überzeugung gestärkt: Wichtig ist, dass junge Menschen über die Ereignisse der Vergangenheit erfahren möchten und dass sie sich mit der Geschichte befassen. Vor allem die Veteranen helfen ihnen dabei“, sagte Schanna Filippowa, Leiterin des Jugendklubs „Deutsche Junioren“, Sajanogorsk, nach der feierlichen Veranstaltung.

Die Teilnehmer der Aktionen bestimmten selbst, wann und in welcher Form sie stattfinden sollten. Und so dürfen sich russlanddeutsche Veteranen und Trudarmisten den ganzen Monat über unerwartete Besucher freuen, mit denen sie ihre Erinnerungen teilen können. Das Interesse junger Menschen für die Vergangenheit verschwindet nicht, sie beschäftigen sich immer häufiger damit. Die Aktion brachte sogar neue Ideen mit: „Wir wollen aus den Geschichten, die wir gehört haben, ein elektronisches Album zusammenstellen. Es soll in unserem Zentrum aufbewahrt werden“, erzählen die Mitglieder des Jugendklubs „Quelle“ (Kulunda, Region Altaj). Im Nationalkreis Asowo wollen junge Russlanddeutsche nach der Gratulationsaktion, dem Radrennen „GeschICHte sowie dem Projekt „Unser Beitrag zum Sieg“ ein Fotoalbum über die Trudarmisten des deutschen Nationalkreises Asowo der Region Omsk zu veröffentlichen, dessen Präsentation im August erfolgen soll.

Die Jahre des Krieges haben alle im Land vereint, unabhängig von Nationalität, Geschlecht und Alter. Heute verbinden die Erinnerungen, die Veteranen und Trudarmisten mit jungen Russlanddeutschen teilen, zwei Generationen. Und eine davon ist unbeschreiblich dankbar für das Leben, das ihr vor 65 Jahren geschenkt wurde.

Berichte der Organisationen können hier eingesehen werden:

Elena Danilejko